Erste Recherche in der eigenen Bibliothek
Wir haben in einer Theologie-Vorlesung über Jesus von dem "Testimonium Flavianum" gehört: [Link]
Ich habe heute das Buch des Autors dieses "Testimoniums" (Flavius Josephus) in der Straßburger Erstausgabe (deutsche Übersetzung) aus dem Jahr 1574 bekommen, das ich durch Zufall von einem Händler angeboten bekommen habe, gerade während des Lernens auf die Klausur, die am 12.2. stattfinden wird (nennen wir es: "Göttliche Fügung"). Da musste ich natürlich gleich die besagte Stelle, das "Testimonium" selbst, aufschlagen (erster Absatz auf dem Bild): "Es hat auch zur selbigen zeit gelebt […]":
Dann hab ich den Wikipedia-Artikel genauer gelesen, und bin bei den "Quellen" auf Hieronymus gestoßen: [Link]
Zitat:
Neben Eusebius' Kirchengeschichte ist Hieronymus' Werk "Berühmte Männer" (De viris illustribus) das zweite Werk, das in der Rezeptionsgeschichte des Testimonium Flavianum wichtig war. Hieronymus übersetzte die Passage um 392 sehr wörtlich vom Griechischen ins Lateinische, aber mit einer Abweichung. In De viris illustribus 13,16,15 schrieb er statt hic erat Christus ("Dieser war der Christus") credebatur esse Christus ("man glaubte, er sei der Christus"). De viris illustribus ist in Handschriften des 6. und 7. Jahrhunderts erhalten, Manuskripten, die deutlich älter sind als jene, die man für Josephus' Antiquitates oder Eusebius' Kirchengeschichte zur Verfügung hat. Auch die syrische Weltchronik Michaels des Syrers bietet diese Formulierung: "man glaubte, er sei der Christus". Da lateinische und syrische Theologen wegen der konfessionellen Spaltungen der Spätantike ihre Werke gegenseitig nicht lasen, scheint hier wie dort eine griechische Version des Testimonium Flavianum vorgelegen zu haben, die diese Formulierung enthielt.
Da fiel mir ein: Den Hieronymus, dessen "Opera Omnia" in der Kölner Edition aus dem Jahre 1616, den hast du doch auch in deinem Schrank stehen: [Link]
Da musste ich schauen, ob das hier erwähnte Werk "De viris illustribus" (Berühmte Männer) da auch drin steht. Und ich bin wirklich fündig geworden: Im ersten Teil der "Opera Omnia" war das angesprochene Werk tatsächlich mit aufgeführt. Darin heißt es (das ist das besagte Zitat des "Testimonium Flavianum"): "Scripsit autem de Domino in hunc modum: […]" (Er hat jedoch über den Herren ich folgender Weise geschrieben: […])…
Dann habe ich weiter geschaut, in den Quellen: [Link]
Zitat:
Pseudo-Hegesippus Schrift "Der Untergang Jerusalems" De excidio Hierosolymitano (4. Jahrhundert) ist eine freie lateinische Paraphrase von Josephus’ Schrift über den Jüdischen Krieg mit antijüdischer Tendenz, angereichert durch Abschnitte aus Josephus’ Antiquitates, darunter auch das Testimonium Flavianum. Dabei lässt Pseudo-Hegesippus aber die Formulierung "Dieser war der Christus" aus.[23] Dies ist wichtig, weil aus dem Zusammenhang klar ist, dass der Autor eine Abschrift der Antiquitates vorliegen hat und nicht Eusebius oder sonst einen Kirchenschriftsteller.
Da fiel mir auf, dass bei dem Flavius Josephus, den ich heute bekommen habe, der Hegesippus mit angebunden war [Link]. Da musste ich nachschauen, ob dieses das besagte Werk ("Der Untergang Jerusalems") ist, also schaute ich nach dem in dem Wikipedia-Artikel verwendeten Zitat ("Der Untergang Jerusalems", Buch 2, Kapitel 12): Auch da wurde ich fündig: "Dan der Geschichtschreiber Josephus sagt […]".
Ihr glaubt garnicht, wie sehr mich das stolz macht, solche "Recherchen" in der eigenen Bibliothek meiner "alten Bücher" vornehmen zu können. Ich höre in der Religions-Vorlesung etwas, und kann dann die Originalquellen in meiner eigenen Bibliothek studieren. Es hat was von dem Charme, von dem Flair einer alten Klosterbibliothek wie etwa die in dem Film "Der Name der Rose". Ich habe lange überlegt: "Was ist mein Lebenstraum?" Ich denke, einer dieser "Träume" hat sich hiermit echt verwirklicht. Es ist keine "Kaufsucht", sondern es ist ein Hobby, eine echte Leidenschaft, diese "alte Bibliothek" zu führen. Ich hoffe, ihr könnt das, auch anhand dieser Ausführung jetzt, einigermaßen nachvollziehen. Es hat mich jetzt auch dahingehend bestärkt, dieses Hobby weiter auszuüben, daran weiter zu arbeiten (Bücher digitalisieren, und so weiter).
Erneute Recherche in der Bibliothek "Altes Buch"
Nachdem ich diese erste Recherche, von der ich bereits berichtet habe, gemacht habe, ist mir erneut eine weitere Recherche gelungen:
Ich habe in der "Augustinus"-Vorlesung im Rahmen meines Master-Studienganges am Mittwoch, den 12.1.2022 gehört, dass Augustinus indirekt Vergils Aeneis im Schluss seines Werkes "De Civitate Dei" (Über die Bürgerschaft Gottes) kritisiert hat, als dieser den Vater von Aeneas, Anchises, mit folgenden Worten zitiert:
Du Römer, denk daran, die Völker zu beherrschen mit deinem Befehl, und denk daran, das werden deine Fähigkeiten sein, dem Frieden eine geordnete Lebensweise aufzulegen, die Unterworfenen zu schonen und die Hochmütigen niederzuschlagen.
[Vergil: Aeneis 6, 850-853], zu finden auf meiner Zitate-Seite: [Link]
Damit nahm er Stellung, und sagte, dass diese römische Herrschsucht nicht dauerhaft sein kann, da sie irdisch ist. So schreibt Augustinus in "De Civitate Dei" gegen Ende, quasi als Schlussfazit:
[…]"Es steht euch nicht an, die Zeiten zu wissen, die der Vater in eigener Macht festgesetzt hat." Nach Ablauf auch dieses Weltalters wird Gott als am siebenten Tage ruhen, indem er in sich selbst eben diesen Tag, der wir sind, ruhen lassen wird. Von diesen einzelnen Weltaltern hier ausführlicher zu handeln, würde zu weit führen; aber dieses siebente Weltalter wird unser Sabbat sein, dessen Ende nicht ein Abend sein wird, sondern als der ewige achte Tag der Tag des Herrn, der durch Christi Auferstehung geheiligt ist und das Ruhen nicht nur des Geistes, sondern auch des Leibes vorbildet. Da werden wir feiern und schauen, schauen und lieben, lieben und preisen. Ja wahrhaftig, so wird es sein ohne Ende am Endziel. Denn das eben ist unser Endziel, zu einem Reich zu gelangen, dem kein Ziel durch ein Ende gesetzt ist.
[Augustinus, Aurelius: "De Civitate Dei", Buch XXII], auch zu finden auf meiner Zitate-Seite: [Link]
Da ich ja "De Civitate Dei" persönlich besitze, war es mir leicht, die entsprechende Stelle zu finden:
Das Zitat befindet sich an folgender Stelle: "Non est vestru scire tempora, quae […]"
Nicht nur, dass ich das Buch "De Civitate Dei" in einer Version von 1555 selbst besitze [Link], sondern mir fiel daraufhin auch ein, dass ich vor kurzem erst den Vergil mit seinen "Opera omnia" in der Lyoner Version von 1550 gekauft habe [Link]. Dort ist, unter anderem, auch die "Aeneis" zu finden.
Auf Seite 285 des Buches findet sich die oben erwähnte Stelle:
Ab "Tu regere Imperio populos Romane memento."
Schon beeindruckend, diese Stellen in den originalen Quellen aus der Mitte des 16. Jahrhunderts nachlesen zu können, in Büchern, die zum Teil älter als 400 Jahre alt sind. Es fühlt sich an, wie wenn ich ein Student der damaligen Zeit wäre, der diese Werke in einer Klosterbibliothek studiert.
Ich halte euch auf dem Laufenden, wenn weitere Recherchen in meiner Bibliothek "Altes Buch" stattfinden.
Recherche einer Handschrift
Ich hatte in einer alten Bibel von 1661, die ich mir gekauft habe, entdeckt, dass dort eine alte Pergament-Handschrift aus dem späten Mittelalter als Vorsatz-Blatt (Makulatur) verwendet wurde. Sowohl hinten, als auch vorne war so ein Pergament eingearbeitet.
Ich habe mich jetzt daran gemacht, das vordere Pergament zu untersuchen, um herauszufinden, um was für einen Text es sich handelt. Dazu musste ich einzelne Passagen, die ich entziffern konnte, in Google eingeben, um herauszufinden, um welches Werk es sich handelt. Dabei bin ich auf folgenden Link gestoßen:
www.monumenta.ch [Link]
[Augustinus, Aurelius: In Ioannis Evangelium Tractatus CXXIV, 24, 3]
Dort heißt es:
…[ten]tabat, nisi quia ignorantiam discipuli demonstrabat? Et forte in demonstratione ignorantiae discipuli aliquid significavit. Apparebit ergo, cum ipsum sacramentum de quinque panibus coeperit nobis loqui, et quid significet indicare: ibi enim videbimus quare Dominus in hoc facto ignorantiam discipuli voluit interrogando quod sciebat, ostendere.
[Augustinus, Aurelius: In Ioannis Evangelium Tractatus CXXIV, 24, 3]
Dies ist genau die Passage, die sich im ersten Absatz des Manuskriptes wiederfindet:
Vergleich des Textes: Aus: Augustinus, Aurelius: In Ioannis Evangelium Tractatus CXXIV, 24, 3
Dann hab ich überlegt, ich könnte doch auch mal in meinen neu erworbenen "Opera" des Augustinus in der Pariser Edition von 1649-54 nachschauen, ob ich da diese Stelle finde. Und tatsächlich: In Tomus IX der Opera steht die "Expositiones Augustini in Evangelium Iohannis". Nach einem kleinen Abgleich habe ich auch die besagte Stelle gefunden (Tractatus 24,3):
S. Avrelii Avgvstini Hipponensis episcopi Opera tomis vndecim comprehensa [Tomus 9]: Expositiones […] in Novum Testamentum, p. 87.
Schon beeindruckend, wie sich solche Recherchen vollbringen lassen. Leider lässt sich nicht herausfinden, wo und wann exakt diese alte Handschrift angefertigt wurde. Es wird sich jedoch, wie bereits oben erwähnt, um ein Manuskript aus dem späten Mittelalter (vermutlich 14./15. Jahrhundert) handeln. Dies sagt mir mein Gespür und Gefühl.
Recherche der Geschichte des eigenen Namenspatrons
Es gibt oft etwas Neues zu entdecken, wenn man so viele alte Bücher hat wie ich sie in meiner Bibliothek stehen habe. So habe ich jetzt die Geschichte des eigenen Namenspatrons in der Aventinus-Chronik (Johannis Auentini Des Hochgelerten weitberümbten Beyerischen Geschichtschreibers Chronica, Frankfurt, 1580) entdeckt:
Johannis Auentini Des Hochgelerten weitberümbten Beyerischen Geschichtschreibers Chronica, pp 280
Dort heißt es:
Wie König Carl mit seinem Vettern / Herzog Thessel in Bayern / uneins ward / uberzohe einer den andern.
[Johannis Auentini Des Hochgelerten weitberümbten Beyerischen Geschichtschreibers Chronica, Frankfurt, 1580, pp 280.]
Hierbei muss man erwähnen, dass es sich bei "Herzog Thessel" um Tassilo III handelt, und "König Carl" niemand Geringeres ist als Karl der Große himself. Es spielt sich in einer Zeit ab, als Karl noch kein Kaiser war, und die Streitereien gipfelten in Intrigen, die Karl der Große gegenüber Tassilo äußerte, weil dieser ihm selbst zu mächtig wurde, und er seinen Herrscheranspruch in Gefahr sah. Somit konnte er Tassilo auch los werden, und diesen in die Verbannung schicken, nachdem er ihn in einem Schauprozess verurteilt hat. Er fürchtete jedoch die Rache des Volkes so sehr, dass er nicht fertigbrachte, Tassilo tatsächlich in dem Schauprozess, der ihm gehalten wurde, zu Tode zu verurteilen, denn Tassilo selbst war sehr beliebt.
Dann habe ich weiter gesucht in meiner Bibliothek, und wurde auch darüber hinaus fündig:
Brunner, Andreas: Annalium Virtutis Et Fortunae Boiorum [Tomus 1], p. 687
Im Buch "Annalium Virtutis Et Fortunae Boiorum" [Tomus 1] von Andreas Brunner aus dem Jahre 1626 wird über T[h]assilos Leben intensiver berichtet (in lateinischer Sprache). So fand im Jahre 744 seine Ernennung zum "princeps boicae" (Herrscher der Boier) statt, wie dem oben aufgeführtem Bild zu entnehmen ist. Im selben Buch, auf Seite 667, lesen wir, dass T[h]assilo im Jahre 742 geboren wurde. Ich werde mich in Kürze ausführlicher mit dem lateinischen Text über meinen Namenspatron in diesem Buch befassen. Dies sind die letzten Seiten des 735 Seiten fassenden ersten Teiles der "Annales Boiorum" des Andreas Brunner.
Jetzt noch einige allgemeine Bemerkungen zu Tassilo III:
Er hätte es geschafft, das Bayerische Volk, die Franken und die Bajuwaren, zu einen, wenn Karl der Große ihn daran nicht gehindert hätte. Denn Tassilo war, und das macht die Geschichte interessant, ein Abkömmling beider Volksstämme, wie bei Aventinus zu lesen ist.
Traurig an dieser Geschichte ist, dass das Opfer der Intrigen, Tassilo III, bis heute noch nicht heiliggesprochen wurde, während Karl der Große, trotz dieser bösen Taten, als Heiliger verehrt wird. Aber so ist die Kirche nun mal. Hierbei ist zu bemerken, dass die Heiligsprechung Karls des Großen von einem "Gegenpapst", Paschalis III (Guido von Crema) im Jahre 1165 vorgenommen wurde. Nachzulesen ist dies auf dem Wikipedia-Artikel von Karl dem Großen.
Dies ist wieder ein Beispiel für so eine interessante Entdeckung, welche ich immer mal wieder in meiner Bibliothek "Altes Buch" machen kann.
Sprichwörter – damals und heute:
Recherche in der Bibliothek
Ich habe mir ein neues Buch gekauft, das einen sehr interessanten Inhalt hat. Es ist eine Sprichwörter-Sammlung von Sebastian Franck: "Sprichworter, schöne, weise Klugreden: darinnen Teutscher unnd anderer Spraachen Höfflicheit, Zier, Höchste Vernunfft unnd Klugheyt". Frankfurt, 1565.
Dort finden sich einige interessante Sprichwörter, die heute noch sehr häufig in unserer modernen Sprache verwendet werden. Schauen wir dazu beispielsweise mal in das Register, alleine in der ersten Seite:
Franck, Sebastian: Sprichworter, schöne, weise Klugreden. Register, Seite 1
Dort finden sich alleine dort, auf der ersten Seite des Registers, beispielsweise folgende Sprüche, die heute noch sehr beliebt sind:
Dies sind jetzt alles alleine die Sprüche auf der ersten Seite. Auf meiner Homepage habe ich noch zwei weitere Sprüche in meiner Zitate-Sammlung aufgenommen:
All ding ein weil (Gut Ding will Weile haben.)
Eygen lob stinckt (Eigenlob stinkt.)
Auch diese beiden Sprüche sind sehr bekannt, noch heute. Schon beeindruckend, wie diese Sprüche mindestens fast 500 Jahre überlebt haben.
Was Aventinus über die Bayern sagte
Bei der Durchforstung meiner Bilder, die ich auf meinem Rechner hatte, bin ich auf dieses Bild gestoßen:
Aventinus über die Bayern. Quelle: unbekannt
Da fiel mir ein, dass ich doch die Chronik des Aventinus seit einigen Monaten selbst im Schrank stehen habe. Daher war ich gewillt, da mal selbst nachzulesen. Doch dabei war ein Problem: Das Buch, bei mir Signatur cod_pri_072, aus dem Jahr 1580, hat annähernd 500 Seiten. Wo also anfangen?
Also habe ich zuerst etwas im Internet recherchiert, und bin dabei auf eine Seite "Zitate und Anekdoten" getroffen, in der sich auch das Aventinus-Zitat wiederfindet:
"Das baierisch volk, gemainlich davon zu reden, ist geistlich schlecht und gerecht, get, läuft gern kirchferten, hat auch vil kirchfart; legt sich mer auf den ackerpau und das viech dan auf die krieg, denen es nicht fast nachläuft, trinkt ser, macht vil kinder; ist etwas unfreuntlicher und ainmüetiger als die nit vil auß kommen gern anhaims eralten, wenig hantierung treiben, fremde lender und gegent haimsuchen."
Spricht man allgemein vom baierischen Volk, so ist es in geistlichen Dingen eher schlichten Gemüts, aber gewissenhaft, liebt Wallfahrten, wobei es auch viele Wallfahrtsorte gibt,; die Baiern halten es auch mehr mit Ackerbau und Viehzucht als mit Krieg und Kampf, auf die sie nicht aus sind; die Leute trinken viel und machen noch mehr Kinder. Der Baier neigt zur Übellaunigkeit und zum Einzelgängertum wie viele, die nicht weiter herumkommen und lieber zuhause alt werden, die Kaufhandel weniger mögen, ebenso wenig wie sie fremde Länder und Gegenden bereisen.
(Johann Turmair, genannt Aventinus, aus: Klaus Wolf, Bayerische Literaturgeschichte)
Quelle: Bavaritas – Zitate und Anekdoten
Da kannte ich immerhin schon einmal den Text. Ich vermutete, da das doch etwas sehr allgemeines ist, über das Bayerische Volk, dass dies in einer Chronik doch relativ weit am Anfang stehen muss. So war es dann auch: Auf Seite 9 verso fand ich folgendes vor:
"Beschreibung der Sitten deß Landes auffs kürtzst und in der gemein."
Aventinus-Chronik. Frankfurt, 1580, p. 9v.
Das habe ich auch dann gleich in meiner "Zitate-Sammlung" als Zitat cit_00012 übernommen, aufgenommen. Wieder ein Beispiel, wie man eine Recherche in der eigenen Bibliothek machen kann.
Recherche an Weihnachten:
Ein Weihnachtszitat von Augustinus
Auf der Suche nach der Weihnachtsgeschichte (Lukas 2,1-21) habe ich Franciscus Peikhart in seinem Lukas-Traktat [cod_pri_057c] studiert, und habe dort bei besagter Quelle (Lukas, 2. Kapitel) ein Zitat von Cornelius a Lapide gefunden:
Leider ist das das einzige Buch der "Scripturam Sacram"-Reihe [cod_pri_023(a-k)] des Autors, das ich noch nicht habe, die "Commentarii in Quatuor Evangelia". Schade! Aber: dann hat Peikhart ein berühmtes Augustinus-Zitat aufgeführt:
O miracula! o prodigia! o mysteria fratres! naturæ jura mutantur, in homine DEUS nascitur.
Da habe ich mir gedacht, da muss ich doch mal den Augustinus selbst recherchieren, wie genau er das schreibt. Ich habe ja seine "Opera Omnia" in der Pariser Edition um 1650. Im zehnten Band der Reihe [cod_pri_079j] fand ich dann unter "Sermones de Tempore, In Natali Domini, Sermo IX" das originale Zitat:
Ich nahm daraufhin das besagte Zitat in meiner Zitate-Sammlung auf unter [cit_00022]:
O miracula, ô prodigia, fratres mei, naturæ iura mutantur in homine! Deus nascitur, virgo sine viro gravidatur, viri nesciam sermo Dei maritat.
Wieder so eine Recherche in meiner Bibliothek "Altes Buch". Aus diesem Grunde sammle ich diese Bücher. Solche Recherchen in der eigenen Bibliothek machen zu können, erfreut mich riesig. Warum sollte ich in die Staatsbibliothek gehen, wenn ich das zu Hause haben kann?
Über die Entstehung des Mythos der Päpstin Johanna
Als ich ein Buch von Bartolomeo Platina (i.e. Bartolomeo Sacchi) geschickt bekam, das ich mir gekauft habe, musste ich mich zunächst über den Autor informieren: [Wikipedia: Bartolomeo Platina], und habe dort entdeckt, dass dieser bei der von mir erworbenen Papstchronik die unzutreffende Behauptung aufstellt, Papst Johannes VIII. sei kein Mann, sondern eine verkleidete Frau gewesen, die sogenannte Päpstin Johanna. Dieser Mythos ist ja bis in die moderne Zeit erhalten geblieben. Er ist Stoff für zahlreiche Romane, Erzählungen und Legenden, die sich um diese sagenumwobene Person ranken.
Daher musste ich gleich die besagte Stelle in dem Buch suchen. Auf p.64r wurde ich schließlich fündig:
Dort schreibt Platina schon unverblümt von "Ioannes Fœmina", also von "Johannes die Frau". Mit der Hilfe von Google lies ich mir diese Passage übersetzen[1]:
Johannes die Frau
Johannes von England: Er erlangte das Pontifikat durch böse Künste (wie man sagt) aus Maguntia [Mainz]. Denn nachdem er als Frau über sein Geschlecht gelogen hatte, ging er in jungen Jahren mit einem gelehrten Mann, der sein Liebhaber war, nach Athen. Dort machte er so große Fortschritte, indem er den Lehrern der guten Väter zuhörte, dass er kam In Rom hatte er selbst in heiligen Briefen nur sehr wenige seinesgleichen, geschweige denn Vorgesetzte. Und indem er gelehrt und scharfsinnig las und debattierte, verschaffte er sich so viel Wohlwollen und Autorität, dass an seiner Stelle (wie Martinus sagt) nach dem Tod von Leo mit Zustimmung aller ein Pontifex eingesetzt werden sollte. Aber später wurde sie vom Serius zusammengedrückt: als sie eine Zeit lang heimlich ihre Gebärmutter beschriftet hatte: dann, als sie an der Seite der Basilika p: zwischen dem Theater (das sie das Kolosseum nennen) war, vom Koloss von Nero: und sie gebar den Heiligen Clemens, umgeben von Schmerzen und [...]
Auf der Wikipedia-Seite der Päpstin Johanna fand ich dann ein Zitat aus der Schedelschen Weltchronik stehen:
Johannes auß engelland erlanget mit bösen künsten das babstthumb. dann wie wol sie ein weipliche person was so wanndert sie doch in gestalt vnnd geperde eins mannßpilds. vnd zohe noch also iung mit irem liebhaber eim gelerten mann gein Athenas. alda wardt sie der schrift also hohgelert das sie gein rom komende wenig ir gleiche in der heilligen schrift het. Nw erlanget sie mit lesen vnd scharpffem disputiren in scheyn eins mans vnder der verborgenheit irer weiplichkeit zu rom solche gutwilligkeit vnd glawbwirdigkeit das sie nach absterben Leonis an sein stat (als martinus spricht) mit allermenigclichs willen zu babst erkorn wardt. Aber sie wardt nachfolgend von eim irer diener geschwengert. vnnd als sie den leib ettwielang getragen het vnd eins tags in sant Johanßen lateranensischen kirchen geen wolt. do wardt sie zwischen der wunderburg vnd sandt Clementen mit ween befangen vnd gepare vnd starb an derselben statt. Ettlich schreiben wenn ein babst zu der benanten sant Johanßen kirchengeen wöll. vnd an dasselb end do das beschehen sey kome. so vermeyde der babst denselben weg in verschmehlicher gedechtnus solcher geschichten: zum andern wenn ein erwelter babst erstlich in sannt Peters. darzu gelöcherten stul gesetzt werdt so pflege der letst dyacon zu vermeyden der gleichen künftiger irrung dem babst seine manliche gepurt glyder durch denselben gelöcherten stul zeberüren.
Dies ist nahezu wortwörtlich der Text von Platina, der seine Papstchronik bereits 1479 erstmals zum Druck gab, während die "Schedelsche Weltchronik" nicht vor 1493 erschien. Ich habe mir eine Venediger Edition der Platina-Papstchronik aus dem Jahr 1511 gekauft. Diese Papstchronik wurde 1580 auf den "Index" der katholischen Kirche gesetzt. Umso besser, dass dieses Buch all die Jahrhunderte überlebt hat, und nun den Weg zu mir gefunden hat.
[1] Die Google-Übersetzung der Originalquelle des lateinischen Platina-Textes habe ich größtenteils 1:1 wiedergegeben, ohne große Veränderungen zu machen. Daher ist der Text unter Umständen sprachlich etwas wirr, aber inhaltlich gibt er eine Idee, um was es geht.